Die Lieper Winkelsche Tracht
Im Mittelalter hat für die Küsten- und Inselbevölkerung Pommerns einst ein in den wesentlichen Grundzügen einheitliche Tracht bestanden, die zum Teil durch die doppelte Arbeit als Bauern und Fischer bedingt war. Im Laufe der Jahrhunderte starb diese Tracht aus. Nur in den abgelegenen Regionen Mönchgut auf der Insel Rügen und dem Lieper Winkel auf der Insel Usedom blieb diese Tradition und Tracht bis in die erste Hälfte des 19.Jahrhunderts erhalten und wurde von Chronisten beschrieben (siehe unten). Für den Lieper Winkel sind aber keine Fotografien erhalten, so daß man keine bildlichen Zeugnisse hatte. Fast 100 Jahre....
Bis im Jahr 1948 auf dem Dachboden des Hauses Peeneweg 13 in Warthe eine vollständig erhaltene Frauentracht aus der Zeit um 1850 gefunden wurde. Diese sogenannte "Lieper Winkel Tracht" steht vermutlich mit der „Mönchguter Tracht“ in enger Verbindung, als Trachten noch in einem Gebiet vom Darß über Hiddensee bis zum Lieper Winkel getragen wurden. Dieses Original wird jetzt im Museum Wolgast aufbewahrt. Im Heimathof Lieper Winkel in Rankwitz ist eine Nachbildung zu sehen.
(Foto: Museum Wolgast)
Ein spezifisches Trachtengebiet im Lieper Winkel wurde 1837 von Wilhelm Meinhold und 1863 von W.F.Gadebusch beschrieben. Um 1815 hatte die Männertracht einen Wert von etwa 9 Reichstalern und wurde zu festlichen Anlässen getragen. Um 1930 gab es jedoch keine vollständig erhaltene Männertracht mehr. Fritz Adler führt in seinem Werk (Universitätsverlag Ratsbuchhandlung L. Bamberg, Greifswald) in den 1930er Jahren zur Lieper Winkel-Tracht aus:
"Im Südosten dagegen gehörte zu dem Mönchguter Trachtengebiet noch der Lieper Winkel auf der Insel Usedom. Dort trugen noch vor drei, vier Generationen (also bis Anfang des 19.Jh. - der Autor) die Männer die weißleinigen Fischerhosen, die bunte und wie das Unnerding längsgestreifte Weste, die kurze Jacke und die auf dem Webbrett angefertigten farbigen Strumpfbänder, während wir von der dortigen Frauentracht wissen, daß auch zu ihr der perlengestickte Brustlatz, der Schnürleib mit dem angenähten Hedewulst und der farbige Kantenrock gehörten."
Das Unnerding ist eine ärmellose und hochgeschlossene Schoßweste, die so weit herunterreichte, daß sie noch einen Teil des Unterleibes bedeckte. Es hatte Längsstreifen und wurde mit Horn- oder Messingknöpfen geschlossen. Unter dem Knie saß bei den Männern das Strumpfband, ein auf dem Webbrett aus farbiger Wolle gewebtes sehr langes Band, daß mehrmals um den das Bein geschlungen wurde und dessen Enden in herabhängenden Troddeln endeten.
Der Kantenrock der Frauen ist ein Oberrock aus der Hausweberei. Er endet unten in einer bisweilen einen halben Meter breiten Kante von verschiedenfarbigen Querstreifen.
Einen Eindruck von der Wirkung dieser schmuckvollen Tracht bekommt man bei den zahlreichen Auftritten der hiesigen Volkstanzgruppe "Dei Lieper-Winkel´schen Danzlüh", die in handgewebten Nachbildungen auftritt. Aber auch im Heimathof können diese Nachbildungen, sowie andere handgewebte Textilien bewundert werden. Im Trachten- und Webraum sind sie mit dem dazugehörigen „zweischäftigen“ Webstuhl aus alter Zeit zu sehen.